"Markengesetz"

Onlinepraxiskurzkommentar

Das Kennzeichenrecht des geschäftlichen Verkehrs

kommentiert von RA Boris Hoeller (HOELLER Rechtsanwälte)
zu § 19 Markengesetz (Version: 0.23 vom 26. Oktober 2003)

Gesetzestext zu MarkenG § 19:
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MarkenG § 19 Auskunftsanspruch
  1. Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung kann den Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen in Anspruch nehmen, es sei denn, daß dies im Einzelfall unverhältnismäßig ist.

  2. Der nach Absatz 1 zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, des gewerblichen Abnehmers oder des Auftraggebers sowie über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Gegenstände.

  3. In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung angeordnet werden.

  4. Die Auskunft darf in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den zur Auskunft Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des zur Auskunft Verpflichteten verwertet werden.

  5. Weitergehende Ansprüche auf Auskunft bleiben unberührt.




Kommentar & Anmerkungen

Einführung:
· Zur Bezifferung etwaiger Schadensersatzansprüche gibt MarkenG § 19 den Inhabern von Ausschließlichkeitsrechten einen ausdrücklichen Auskunftsanspruch, der bei klar gelagerten Fällen sogar im Eilverfahren geltend gemacht werden kann.

Kommentar, Erläuterungen:

§ 19 - K2100


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Umfang der Auskunftspflicht
· Der Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG kann, soweit der zur Auskunft Verpflichtete seinen Lieferanten anhand seiner Unterlagen nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen kann, im Einzelfall auch eine Pflicht begründen, diese Zweifel durch Nachfrage bei den in Betracht kommenden Lieferanten aufzuklären. Dagegen ist der Auskunftsschuldner nicht gehalten, Nachforschungen bei seinen Lieferanten vorzunehmen, um unbekannte Vorlieferanten und den Hersteller erst zu ermitteln (vgl. BGH Urteil vom 23. Januar 2003 - I ZR 18/01 - 'Cartier-Ring' abgedruckt in: WRP 2003, 653 ).

§ 19 - K3000


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Auskunft im Eilverfahren
· Nur in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung ist der Auskunftsanspruch auch im Eilverfahren und dies nur nach den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung durchsetzbar.

§ 19 - K3100


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offensichtlicher Rechtsverletzung
· Die Rechtsverletzung muß offensichtlich sein. Schon die nicht mit wenigen Sätzen zu beantwortende Frage, ob eine bestimmte Verletzungshandlung eine markenmäßige oder rein dekorative Nutzungshandlung ist, führt zu Verneinung des Tatbestandsmerkmals "offensichtlich" (vgl. HansOLG Hamburg Urteil vom 30. Januar 2002 - 5 U 160/01 - 'ZICKE' ).
· Der Auffassung , wonach § 19 Abs.3 MarkenG nur die Fälle der Produktpiraterie erfasst, kann nicht beigetreten werden. Es trifft allerdings zu, dass die Regelung des § 25 b Abs.4 WZG, die später inhaltsgleich in § 19 Abs.3 MarkenG übernommen worden ist, durch das Produktpirateriegesetz vom 7.3.1990 (BGBl I S. 422) in das damalige Warenzeichengesetz eingeführt worden ist. Das besagt jedoch nicht, dass die Vorschrift die Möglichkeit der Durchsetzung des Auskunftsanspruches im Wege der einstweiligen Verfügung auf die Fälle der Produktpiraterie beschränkt hätte. Schon der Wortlaut und die systematische Stellung der Regelung sowohl im Warenzeichengesetz als auch im Markengesetz widerlegen diese Auffassung. Es kommt hinzu, dass auch die amtliche Begründung (BT-Drucksache 11/4792, S.30 ff) diese gegenüber dem Gesetzeswortlaut erhebliche Einschränkung nicht vorsieht. Danach (S.31) macht "das Ausmaß der Bedrohung der Schutzrechte ... es erforderlich, einen besonderen Auskunftsanspruch zu schaffen, der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbar sein muss." Weiter heißt es (S.32), der Auskunftsanspruch werde nur bei offensichtlicher Rechtsverletzung, also nur in Fällen gewährt, "in denen die Rechtsverletzung so eindeutig [sei], dass eine Fehlentscheidung (oder eine andere Beurteilung im Rahmen des richterlichen Ermessens) und damit eine ungerechtfertigte Belastung des Antragsgegners kaum möglich" sei. Die amtliche Begründung bestätigt damit die oben für die "offensichtliche Rechtsverletzung" dargestellten Anforderungen, eine Beschränkung des Anwendungsbereiches auf die Fälle der Produktpiraterie lässt sich ihr demgegenüber nicht auch nur andeutungsweise entnehmen (so OLG Köln Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 6 W 67/03 - 'OLGK_Auskunft im VerfuegungsverfahrenII ' ).
· Im Rahmen des auf § 14 MarkenG gestützten Anspruches setzt die offensichtliche Rechtsverletzung voraus, dass keine ernsthaften Zweifel an der Schutzfähigkeit der Marke, deren besserem Zeitrang sowie der Gefahr von Verwechslungen mit dem angegriffenen Zeichen bestehen OLG Köln Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 6 W 67/03 - 'OLGK_Auskunft im VerfuegungsverfahrenII ' ).

§ 19 - K3200


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Vorschriften der ZPO
· Wegen der besonders gelagerten Interessen der antragsgegnerischen Partei setzt die Durchsetzung markenrechtlicher Auskunftsansprüche im einstweiligen Verfügungsverfahren die Darlegung und Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit nach §§ 935, 940 ZPO durch den Antragsteller voraus. Eine analoge Anwendung des UWG § 25 scheidet aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts aus. Ein auf Auskunftserteilung gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist als Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich unzulässig (Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 840 Rn. 8). Auch wenn § 19 Abs. 3 MarkenG im Fall offensichtlicher Rechtsverletzungen den Weg des vorläufigen Rechtsschutzes ausdrücklich eröffnet, ist diesem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen. Die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist durch gegebenenfalls abändernde Entscheidung im Hauptverfahren nicht mehr rückgängig zu machen. Der Schutz der Interessen des Auskunftsverpflichteten gebietet es deshalb, die Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs auf der Grundlage des § 19 Abs. 3 MarkenG auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Dies schließt aber weitere Erleichterungen der Zulässigkeit des Antrags wie eine entsprechende Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG aus und erfordert eine Anwendung der allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze zur Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 6 W 35/03 - 'Auskunft im Verfügungsverfahren' abgedruckt in: GRUR RR 2003, 296 = WRP 2003, 1008 ).
·
· Je nach Sachlage kann der Antrag nach MarkenG § 19 Abs. 3 das Ermessen des Gerichts insoweit leiten, ob dieses über den begehrten Auskunftsantrag erst nach Gelegenheit des rechtlichen Gehörs des Auskunftsverpflichteten, also entweder nach vorheriger schriftlichen Anhörung im Beschlusswege oder nach kurzfritig anzuberaumender mündlicher Verhandlung Antrag entscheidet. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung kann nämlich im Einzelfall unverhältnismäßig sein, insbesondere wenn das Interesse des Verletzten an der Geheimhaltung seiner Bezugs- und Absatzwege ausnahmsweise gegenüber dem Informationsinteresse des Markeninhabers überwiegt. Hierzu Umstände vorzutragen und glaubhaft zu machen, obliegt dem Verletzer. In dieser Situation ist es geboten, eine auf § 19 Abs.3 MarkenG gestützte einstweilige Verfügung nicht ohne vorherige Anhörung des in Anspruch genommenen Verletzers zu erlassen, damit dieser Gelegenheit hat, Gesichtspunkte vorzutragen, die die etwaige Unzumutbarkeit einer Auskunftserteilung begründen könnten. Denn durch die begehrte einstweilige Verfügung wird der Auskunftsanspruch nicht nur gesichert, sondern auch seine Erfüllung erzwungen und die einmal erfolgte Auskunftserteilung kann später nicht mehr rückgängig gemacht werden (vgl. OLG Köln Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 6 W 67/03 - 'OLGK_Auskunft im VerfuegungsverfahrenII ' ). Nur in seltenen und aufgrund der Glaubhaftmachungslage eindeutigen Fällen wird eine Beschlussverfügung ergehen können.




Gesetzgebungsgeschichte

Historie:

Auszüge aus den Materialien:

BT-Drucks. 12/6581, Seite 78

1. Absatz § 19 übernimmt den im geltenden Recht in § 25 b WZG geregelten Auskunftsanspruch. Aus den gleichen Gründen wie bei § 18 werden auch hier alle geschäftlichen Bezeichnungen in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen. Von dem Auskunftsanspruch sollen alle widerrechtlich gekennzeichneten "Gegenstände" erfaßt werden, während das geltende Recht nur "Waren" nennt. Auf diese Weise wird ebenso wie für § 18 erreicht, daß der Auskunftsanspruch auch in den Fällen des § 14 Abs. 4 gegeben ist.




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